- Bhakti-Yoga -
Hingebungsvolles Dienen
in transzendentaler Anhaftung


Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas - 13. Kapitel
von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

 

 

Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung

 

Aus schierem Mißverständnis denken einige Transzendentalisten, Wissen und Entsagung seien unerläßlich, wenn man zur Stufe des hingebungsvollen Dienens aufsteigen wolle. Doch dem ist nicht so. Das Ansammeln von Wissen und der Verzicht auf die Früchte des Tuns mögen wohl dazu beitragen, unsere spirituelle Existenz zu erkennen, doch gehören diese Dinge nicht unbedingt zum hingebungsvollen Dienen. Wissen und gewinnbringende Tätigkeiten haben Befreiung und materielle Sinnenbefriedigung zum Ziel und sind deshalb für die Ausführung des hingebungsvollen Dienens wertlos. Erst wenn man von den aus Wissen und fruchtbringenden Aktivitäten resultierenden Handlungen befreit ist, kann man sich dem hingebungsvollen Dienen zuwenden. Ein Geweihter Śrī Kṛṣṇas ist von Natur aus gewaltlos und selbstbeherrscht, und deshalb braucht er keine besondere Anstrengung zu machen, die Eigenschaften zu entwickeln, die durch Wissen und materiell-einträgliche Tätigkeiten erlangt werden.

 

Uddhava fragte Śrī Kṛṣṇa einmal nach den Regeln und Regulierungen, die in den vedischen Schriften dargelegt sind: »Wie ist es zu erklären, daß die vedischen Hymnen uns einerseits zu materiellem Genuß ermuntern, uns jedoch andererseits alle Illusionen nehmen und uns auffordern, nach Befreiung zu streben?« Diese Schriften wurden zwar vom Höchsten Persönlichen Gott verfaßt, doch anscheinend sind sie voller Widersprüche. Und so fragte Uddhava, wie diese sich widersprechenden Anweisungen der Veden zu verstehen seien.

 

Als Antwort darauf informierte Śrī Kṛṣṇa ihn über die Vortrefflichkeit des hingebungsvollen Dienens; Er sagte: »Für Menschen, die Mir bereits in Hingabe dienen und ständig an Mich denken, ist Streben nach Wissen und Entsagung weder praktisch noch notwendig.«

 

Die Erklärung hierfür lautet, daß hingebungsvolles Dienen von allen Pfaden der Erkenntnis unabhängig ist. Die Pfade des Wissens, der Entsagung oder der Meditation mögen am Anfang hilfreich sein, doch sind sie nicht unbedingt erforderlich, um Gott zu dienen. Mit anderen Worten: Hingebungsvolles Dienen kann unabhängig von diesen Pfaden ausgeführt werden. In diesem Zusammenhang gibt es einen Vers im Skanda Purāṇa, in welchem Parbuta Muni zu einem Jäger sagt: »O Jäger, es ist nicht weiter erstaunlich, daß du viele gute Eigenschaften wie Gewaltlosigkeit und andere entwickelt hast, denn wer dem Höchsten Herrn in Hingabe dient, wird es niemals übers Herz bringen, einem anderen Lebewesen ein Leid zuzufügen.«

 

Nach diesen Ausführungen sagte der Herr zu Sanātana Gosvāmī: »Bisher habe Ich dir nur die dienende Hingabe nach regulierenden Prinzipien dargelegt, doch nun werde Ich dir die dienende Hingabe in transzendentaler Anhaftung erklären.«

 

Die Einwohner von Vṛndāvana, Vrajabhūmi, geben das beste Beispiel für diese Hingabe, denn sie praktizieren ideales hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung. Solche Hingabe ist ausschließlich in Vrajabhūmi zu finden. Wenn man dienende Hingabe mit Anhaftung an Kṛṣṇa entwickelt, indem man in die Fußstapfen der Einwohner von Vrajabhūmi tritt, nennt man diese Stufe »rāga-marga-bhakti« - »dienende Hingabe mit Anhaftung an den Herrn«. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu wird dazu gesagt: »Hingebungsvolles Dienen mit ekstatischer Anhaftung, die für den Gottgeweihten ganz natürlich wird, nennt man »rāga« oder »transzendentale Zuneigung«. Den hingebungsvollen Dienst auf der rāga-Stufe bezeichnet man als »rāgātmika (Hingabe)«; tiefe Zuneigung und vollständige Meditation über das Objekt der Liebe sind seine charakteristischen Merkmale. Beispiele für

 

Gottgeweihte, die sich auf dieser Stufe des hingebungsvollen Dienens befinden, sind die Einwohner von Vrajabhūmi, und jemand, der sich zu Kṛṣṇa hingezogen fühlt, wenn er von ihrer Zuneigung hört, ist gewiß vom Glück begünstigt. Für einen Menschen, der von der dienenden Hingabe der Einwohner von Vrajabhūmi tief bewegt wird und sich bemüht, ihrem Beispiel zu folgen, gelten die Vorschriften und Regulierungen der offenbarten Schriften nicht mehr. Das ist das Merkmal von rāga-bhakti.

 

Chaitanya MahaprabhuHingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung ist die natürliche Neigung jedes Lebewesens. Ein Mensch, in dem diese natürliche Neigung erweckt worden ist, läßt sich durch kein Argument in seiner Überzeugung beirren, selbst dann nicht, wenn solche Einwände auf den Aussagen der Schriften beruhen. Diese natürliche Neigung wird in den Schriften als das höchste Gut des Lebewesens beschrieben, und deshalb sollte sich jemand, der eine Zuneigung für diese besondere Art des hingebungsvollen Dienstes für den Höchsten Herrn entwickelt hat, nicht aufgrund von Argumenten aus den Schriften davon abbringen lassen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß es auch sogenannte Gottgeweihte gibt (sie sind als prākṛta-sahajiyās bekannt), die ihren eigenen, aus der Luft gegriffenen Vorstellungen folgen. Sie imitieren Rādhā und Kṛṣṇa, indem sie sexuellen Ausschweifungen frönen; doch ihr sogenanntes »hingebungsvolles Dienen« und ihre »Liebe« sind nicht echt. Die prākṛta-sahajiyās betrügen sich nur selbst und gleiten auf diese Weise in die Hölle hinab.

 

Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung kann auf zweierlei Art ausgeführt werden: äußerlich und innerlich. Beim äußeren Dienen folgt der Gottgeweihte streng den regulierenden Prinzipien - angefangen mit Chanten und Hören und anderen Regulierungen -, während er innerlich ständig an seine Zuneigung für Kṛṣṇa denkt, die ihn dazu bringt, dem Höchsten Herrn zu dienen. Er denkt fortwährend an seinen bestimmten hingebungsvollen Dienst und an das Objekt seiner Anhaftung. Die Anhaftung eines echten Gottgeweihten verletzt jedoch niemals die regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens - ganz im Gegenteil, der echte Gottgeweihte hält sich streng an diese Regeln, denkt aber trotzdem ständig an das Objekt seiner transzendentalen Anhaftung. Alle Einwohner von Vṛndāvana sind Kṛṣṇa sehr lieb. Ein Gottgeweihter, der sich auf der Stufe der Anhaftung befindet, wählt sich daher einen dieser Einwohner aus und folgt in dessen Fußstapfen, um so in seinem eigenen hingebungsvollen Dienst Erfolg zu haben. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu erklärt Śrīla Rūpa Gosvāmī, daß sich ein reiner Gottgeweihter auf der Stufe der Anhaftung stets an die Aktivitäten eines bestimmten Einwohners von Vraja erinnern solle - auch wenn es ihm selbst nicht möglich sei, in Vrajabhūmi zu leben -, denn auf diese Weise könne er ständig an Vrajabhūmi denken.

 

Unter solchen überzeugten Gottgeweihten gibt es verschiedene Charaktere: Einige sind Diener, andere Freunde, wieder andere Eltern oder Geliebte. Im hingebungsvollen Dienst mit Anhaftung sollte man einem bestimmten Gottgeweihten aus Vrajabhūmi nachfolgen.

 

Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es im 25. Kapitel des Dritten Cantos: »Nur diejenigen, die damit zufrieden sind, Meine Geweihten zu sein, sind matparas. Sie betrachten Mich als ihre Seele, ihren Freund, ihren Sohn, ihren Meister, ihren Gönner, ihren Gott und ihr höchstes Ziel. Solche Gottgeweihte sind frei vom Einfluß der Zeit. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu erweist der Autor all jenen Menschen seine respektvollen Ehrerbietungen, die immer an Kṛṣṇa denken - entweder als ihren Sohn, Gönner, Bruder, Vater, Freund oder in irgendeiner ähnlichen Beziehung. Jeder, der die Prinzipien des hingebungsvollen Dienens in Anhaftung befolgt und sich einen bestimmten Gottgeweihten aus Vrajabhūmi zum Vorbild nimmt und ihm nachfolgt, erreicht mit Sicherheit die Stufe der höchsten und vollkommensten Liebe zu Gott.

 

Es gibt zwei Merkmale, an denen man erkennen kann, daß der Gottgeweihte Liebe zu Gott entwickelt hat. Sie heißen »rati«, (Anhaftung) und »bhāva« (der Zustand, der der Liebe zu Gott unmittelbar vorangeht). Gottgeweihte, die diese beiden Merkmale besitzen, können Kṛṣṇa leicht erobern.

 

Nachdem Śrī Caitanya Sanātana Gosvāmī dies alles erklärt hatte, sagte Er, die Beschreibung des hingebungsvollen Dienens in Anhaftung könne endlos weitergeführt werden, und Er versuche lediglich, einige Beispiele für solche dienende Hingabe zu geben.

 

Śrī Caitanya beschrieb dann das endgültige Ziel des hingebungsvollen Dienens, das von den Gottgeweihten erreicht wird, die die höchste Vollkommenheit erlangen wollen. Wenn die Anhaftung an Kṛṣṇa sehr stark wird, nennt man diesen Zustand » Liebe zu Gott«. Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmī pries Śrī Caitanya für dessen erhabene Lehre von der Liebe zu Gott und brachte Ihm seine respektvollen Ehrerbietungen dar. Im Caitanya-caritāmṛta heißt es: » O Höchster Persönlicher Gott, keine Deiner anderen Inkarnationen hat jemals solch reine dienende Hingabe an jeden verschenkt! Du großmütigste Inkarnation Gottes, ich erweise Dir, der Du den Namen Gaura Kṛṣṇa trägst, meine respektvollen Ehrerbietungen. «

 

Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu vergleicht Śrīla Rūpa Gosvāmī den Zustand der Liebe zu Gott mit dem Sonnenschein, der von der Sonne der Liebe zu Gott ausgeht, und dieser »Sonnenschein« erfüllt das Herz des Gottgeweihten mit immer größerer Liebe. Ein solcher Gottgeweihter ist im Herzen transzendental zu den Erscheinungsweisen der materiellen Natur - sogar zu der der Reinheit. Der Vorgang, durch den das Herz durch den Sonnenschein der Liebe mehr und mehr gereinigt wird, ist als bhāva bekannt. Bhāva ist die bleibende Eigenschaft des Gottgeweihten, und den entscheidenden Punkt für den Fortschritt in bhāva nennt man »das Anfangsstadium der Liebe zu Gott«. Wenn sich das bhāva-Stadium mehr und mehr vertieft, nennen die erfahrenen Gottgeweihten diesen Zustand »Liebe zu Gott«. Im Nārada-pañcarātra heißt es dazu: »Wenn man fest davon überzeugt ist, daß Viṣṇu die einzige Person ist, der alle Liebe und Verehrung gebührt, und daß man niemanden sonst lieben und verehren sollte - auch keinen Halbgott - so bedeutet dies, daß man in seiner Liebe eine enge Verbindung mit Gott erfährt. Dies wird von solch großen Persönlichkeiten wie Bhīṣma, Prahlāda, Uddhava und Nārada bestätigt.«

 

Wenn jemand aufgrund seiner rechtschaffenen Handlungen, die gewöhnlich die Neigung zum hingebungsvollen Dienen hervorrufen, bei reinen Gottgeweihten Zuflucht sucht, entwickelt er schon nach kurzer Zeit eine Neigung zum Chanten und Hören von Kṛṣṇas Namen. Je mehr und je reiner der Neuling chantet und hört, desto mehr Fortschritte macht er im regulierten hingebungsvollen Dienen für den Höchsten Herrn, und in dem Maße, wie er im regulierten Dienst für den Höchsten Herrn Fortschritte macht, vermindert sich seine Anhaftung an die materielle Welt. Als erstes gewinnt er Vertrauen, das sich immer mehr verstärkt, je mehr er von Kṛṣṇa hört und chantet. Dieses Vertrauen entwickelt sich allmählich zum Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein und wird schließlich zur Zuneigung. Wenn die Zuneigung reiner wird, treten bhāva und rati auf. Wenn sich dann die rati (Anhaftung) vergrößert, hat man Liebe zu Gott erreicht, das höchste Ziel des menschlichen Lebens.

 

Diesen Vorgang faßt Śrīla Rūpa Gosvāmī im Bhakti-rasāmṛta-sindhu folgendermaßen zusammen: »Die erste Voraussetzung, um im hingebungsvollen Dienen Fortschritte zu machen, ist Glaube; durch diesen Glauben sucht man die Gesellschaft reiner Gottgeweihter auf, und durch ihre Gemeinschaft entwickelt man hingebungsvolles Dienen. Wenn man auf diese Stufe gelangt, wird man frei von allen Ängsten und Befürchtungen und gewinnt eine feste Überzeugung, aus der sich als nächstes ein Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt. Schließlich erreicht man die Stufe der Anhaftung, d. h. die Stufe der regulierenden Prinzipien im hingebungsvollen Dienen, und wenn man weitere Fortschritte macht, kommt man zur Stufe der bhāva, der beständigen Liebe. Diese Liebe zu Gott kann noch weiter entwickelt und, wenn sie tief genug ist, sogar zur höchsten Stufe der Liebe zu Gott werden. Im Sanskrit wird diese höchste Stufe »prema« genannt. Das Wort »prema« kann man mit »reine Liebe zu Gott« übersetzen, denn der Gottgeweihte erwartet für diese Liebe nichts zurück. Eigentlich ist das Wort »Liebe« für »prema« nicht so recht zutreffend, denn was wir im allgemeinen unter Liebe verstehen, ist nichts weiter als Lust; prema hingegen ist völlig rein und transzendental, d. h. frei von persönlichen Motiven. Wer die Stufe der prema erreicht hat, ist auf der höchsten Stufe der Vollkommenheit angelangt. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird diese Feststellung im 25. Kapitel des Dritten Cantos wie folgt bestätigt: »Nur durch die Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten kann man Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickeln, und wenn man dann versucht, in jeder Sekunde Kṛṣṇa-bewußt zu handeln, wird man sehr leicht die Stufen der bhāva und prema erreichen.«

 

Als nächstes beschrieb Śrī Caitanya die Symptome eines Menschen, der vom bloßen Glauben zur Stufe der bhāva fortgeschritten ist. Er weist folgende Merkmale auf: Er ist niemals erregt, selbst dann nicht, wenn ein Grund dazu besteht. Er verschwendet nicht einmal einen Augenblick seiner Zeit. Er ist stets bestrebt, etwas für Kṛṣṇa zu tun, und wenn er einmal keine Beschäftigung hat, sucht er sich selbst eine Tätigkeit, mit der er den Herrn erfreuen kann. Er lehnt alles ab, was nicht in Beziehung zu Kṛṣṇa steht und erwartet keinen Respekt für sich selbst. Obwohl er sich auf einer sehr hohen Stufe der Verwirklichung befindet, verlangt er niemals danach, von anderen geehrt zu werden. Er ist davon überzeugt, daß er seine Aufgabe erfüllen kann. Er denkt niemals, er mache keinen Fortschritt oder werde das höchste Ziel des Lebens nicht erreichen, nämlich zurück zu Gott, zurück nach Hause zu gehen. Im Gegenteil, er ist fest davon überzeugt, daß er Fortschritte in dieser Richtung macht. Und somit bemüht er sich mit immer größerem Vertrauen, das höchste Ziel des Lebens zu erreichen. Stets ist er eifrig bestrebt, den Herrn zu erfreuen, und von Seiner Herrlichkeit zu hören und zu chanten. Es ist ihm immer eine Freude, die transzendentalen Eigenschaften des Herrn zu beschreiben. Er möchte an Orten wie Mathurā, Vṛndāvana oder Dvārakā leben. All diese Symptome treten bei einem Menschen auf, der die Stufe der bhāva erreicht hat.

 

Diese Stufe der bhāva wird auch im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben. Als nämlich Mahārāja Parīkṣit, der von einem Brahmanenknaben dazu verwünscht worden war, innerhalb von sieben Tagen an einem Schlangenbiß zu sterben, am Ufer des Ganges saß und auf den Tod wartete, sagte er: »All ihr anwesenden brāhmaṇas und auch Du, Mutter Ganges, sollt wissen, daß ich eine Kṛṣṇa völlig hingegebene Seele bin. Ich hätte nichts dagegen, sofort von der Schlange gebissen zu werden, die der Brahmanenknabe mir geschickt hat; doch ich habe noch einen Wunsch: Bitte fahrt fort, Kṛṣṇas transzendentale Spiele zu preisen.« Solch ein Gottgeweihter ist immer darauf bedacht, seine Zeit nicht mit etwas zu verschwenden, was nicht mit Kṛṣṇa verbunden ist. Er hegt deshalb keine Wünsche, die sich auf fruchtbringende Tätigkeiten, yoga-Meditation oder das Ansammeln von Wissen richten. Er möchte nur über etwas sprechen oder hören, was in Beziehung zu Kṛṣṇa steht. Solche reinen Gottgeweihten beten ständig mit Tränen in den Augen zum Höchsten Herrn und sind stets bemüht, sich an die transzendentalen Spiele des Herrn zu erinnern, während sie Ihm ihre Ehrerbietungen darbringen. Nur so können sie zufrieden sein. Jeder Gottgeweihte, der sich auf diese Weise im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, weiht sein Leben und seinen Körper dem Herrn.

 

König Bharata, ein reiner Gottgeweihter, nach dem Indien einstmals Bhāratavarṣa genannt wurde, verließ schon in jungen Jahren seine Familie und sein Königreich als verlasse er Kot. Dies sind die Symptome eines Menschen, der bhāva entwickelt hat. Er sieht sich selbst als den nichtswürdigsten aller Menschen an, und seine einzige Freude liegt in der Hoffnung, daß Kṛṣṇa eines Tages so gütig sein wird, ihn in Seinem transzendentalen Dienst zu beschäftigen. Im Padma Purāṇa findet man die Geschichte eines Königs, der, obwohl er als der Beste unter den Menschen galt, bettelnd von Tür zu Tür ging und selbst die Niedrigsten der menschlichen Gesellschaft, die caṇḍālas (Hunde-Esser), anflehte, Kṛṣṇa-bewußt zu werden.

 

Śrī Sanātana Gosvāmī verfaßte später folgenden Vers: »Ich habe nur wenig Liebe zu Gott, und an mir ist nichts, das mich würdig macht, über hingebungsvolles Dienen zu hören. Auch besitze ich kein Verständnis von der Wissenschaft der dienenden Hingabe, noch verfüge ich überhaupt über irgendwelches Wissen. Weder habe ich in der Vergangenheit rechtschaffen gelebt noch bin ich in einer hohen Familie geboren. Aber, o Liebling der Mädchen von Vraja, ich gebe dennoch nicht die Hoffnung auf, Dich zu erreichen, und diese Hoffnung macht mich ganz verwirrt.« Ein solcher Gottgeweihter wird von einem derartig starken Verlangen tief bewegt und chantet daher ständig »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare.«

 

In diesem Zusammenhang gibt es einen schönen Vers von Śrīla Bilvamaṅgala Ṭhākura, der im Kṛṣṇa-karṇāmṛta sagt: »O Kṛṣṇa, das Spiel Deiner Flöte klingt so lieblich, und die Schönheit Deiner Kindheitsspiele ist einzigartig in dieser Welt. Du weißt, wonach mein Geist begehrt, und auch ich kenne Dich gut. Niemand sonst weiß, wie vertraut unsere Beziehung ist. Meine Augen sehnen sich danach, Dich und Dein Lächeln zu sehen, aber sie vermögen es nicht. Bitte, sage mir, was ich tun soll.« Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu von Śrīla Rūpa Gosvāmī kann man einen ähnlichen Vers finden: »O Govinda! Dieses junge Mädchen hat Tränen in den Augen, und während sie leise vor sich hin weint, singt sie mit süßer Stimme von Deiner Herrlichkeit.« Solche reinen Gottgeweihten möchten ständig Kṛṣṇas glorreiche Taten preisen und an einem Ort leben, wo Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele offenbarte.

 

Ein ähnlicher Vers begegnet uns auch im Kṛṣṇa-karṇāmṛta: »Der Körper Kṛṣṇas ist so anmutig und Sein Antlitz so schön - alles an Ihm ist voller Liebreiz und Duft.« Und im Bhakti-rasāmṛta-sindhu heißt es: »O Lotosäugiger, wann werde ich endlich Deinen heiligen Namen ohne Unterlaß chanten und in Ekstase am Ufer der Yamunā tanzen?«

 

Alle oben angeführten Beschreibungen, die Śrī Caitanya Sanātana Gosvāmī vortrug, schildern Symptome der bhāva-Stufe.

 

Als nächstes beschrieb der Herr die Symptome, die bei einem Gottgeweihten sichtbar werden, der wirkliche Liebe zu Kṛṣṇa erlangt hat. Er sagte: »Niemand kann einen Menschen begreifen, der Liebe zu Kṛṣṇa entwickelt hat, denn weder seine Worte noch seine Handlungen, noch seine Symptome sind normal. Selbst wenn man sehr gebildet ist, wird es einem äußerst schwerfallen, einen reinen Gottgeweihten im Stadium der Liebe zu Gott zu verstehen. « Dies wird auch im Bhakti-rasāmṛta-sindhu bestätigt.

 

Einem reinen Gottgeweihten stockt das Herz, wenn er vom Ruhm des Höchsten Herrn singt. Weil er Kṛṣṇa so sehr liebt, zeigt er die Symptome eines Geistesgestörten, wenn er Seinen Namen, Seinen Ruhm oder Seine Spiele preist, und in solchem Zustand lacht er manchmal oder weint oder tanzt, ohne sich im geringsten um seine Umgebung zu kümmern. Und wenn dann seine Liebe zu Gott noch mehr zunimmt, steigern sich auch seine Zuneigung, seine Gefühle und seine Ekstase, bis hin zur mahābhāva oder prema, der höchsten Stufe der hingebungsvollen Liebe. Die Liebe zu Gott kann mit einer Zuckerlösung verglichen werden, die durch den Entzug von Wasser immer konzentrierter wird, bis der Zucker schließlich zu Kandis wird. In diesen verschiedenen Stadien wird der Zucker von Mal zu Mal schmackhafter. Ähnlich erfährt auch ein wirklicher Gottgeweihter in der Liebe zu Gott eine immer größere transzendentale Freude, bis er letzten Endes die höchste Stufe erlangt.